WEIDENBACH
Nach über 25 Jahren werden endlich 100 Werke aus dem malerischen Oevres von Helga Ginevra präsentiert. Die Willi Sitte-Galerie Merseburg ermöglicht dies auf zwei Etagen ihrer lichtdurchfluteten Galerie. Helga Ginevras Tochter, Claudia Weidenbach, hat diese umfangreiche Ausstellung zusammengestellt, die den eigenwilligen Weg einer Frau widerspiegelt, die sich durch nichts aufhalten ließ, auch nicht von einer Mauer, um ihre Visionen und Träume als Malerin zu leben.
Das Literaturhaus W.W freut sich seine Freunde einladen zu können, vielleicht treffen wir uns diesmal in Merseburg.
Ausstellung vom 12. März bis 22. Mai 2022

Aufruhr im Paradies
Eröffnung am 12. März um 14 Uhr

Willi-Sitte-Galerie Merseburg
Domstraße 15
06217 Merseburg
Öffnungszeiten:
Montag und Dienstag geschlossen
Mittwoch bis Samstag 10 – 16 Uhr
phone: 03461/212231
willi.sitte.galerie.merseburg@gmail.com
http://www.willisitte-galerie-merseburg.de
Förderkreis Willi-Sitte-Galerie e.V.
Helga Ginevra (1938-1996)
Geboren in der Novalisstadt Weißenfels, als dritte Tochter von vier Kindern der Familie Zwernemann, wurde sie in ihrer Heimatstadt, zunächst als mehrfache Wasserskimeisterin, unter den Namen Helga Melges, gefeiert, bevor sie als künstlerische Autodidaktin mit ihrem zweiten Mann, nun als Helga Weidenbach, in der Saalestadt lebte und erfolgreich arbeitete, bis sie 1977 in der Bildhauerklasse von Wieland Förster als Meisterschülerin an der Akademie der Künste Berlin aufgenommen wurde. Während ihres Studienaufenthalts in Wien, im März 1980, nutzte sie die Chance der erdrückenden Enge des Landes (DDR) zu entkommen und übersiedelte nach West-Berlin, wo sie ihre künstlerische Idendität als Helga Ginevra fand. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolges und künstlerischen Schaffens verstarb sie überraschend im November 1996. Die Willi-Sitte-Galerie lädt uns nun ein, dieser außergewöhnlichen Frau in ihrem künstlerischen Kosmos zu begegnen.
In der Nacht –
ich laufe hin und her,
immerzu um mein Bild –
weiter machen
wie ein Tiger um sein Opfer.
Helga Ginevra Weidenbach – Notiz 1. / 2. Sept.1981


Frauen, immer wieder Frauen sind das zentrale Sujet der Malerei und Zeichnung von Helga Ginevra. Als Körper, Porträts oder in Genre-Szenen verwoben, zitieren sie die Vorbilder der Kunstgeschichte wie Goya, de Chirico, Picasso oder Matisse und wenden die ins Bild gesetzte kanonisierte Verlässlichkeit über das Ewig-Weibliche zu den großen Fragen nach Identität, Sexualität und Geschichte, die zirkulär das Denken besetzen. Und immer wieder geht es in ihren Werken auch um die Künstlerin selbst, die als Allegorie weiblicher Subjektivität ein Bestehen auf die eigene Erzählung, eigenes Denken und Empfinden kommuniziert.

Ginevras Bilder sind mit zeichnerischer Verve und kraftvoll farbigen Pinselduktus von einem unerschrockenen, kämpferischen Feminismus erfüllt. Kein Rückzug in vermeintlich typische weibliche Kunstformen, schmeichelndes Verhandeln, Flucht in verklärte Schönheit oder eine femme fatale-Ästhetik findet hier statt. Vielmehr ist in ihren Bildern eine fortlaufende, mal mehr mal weniger offensive Konfrontation angelegt, die sowohl das Erotische als Metapher der Ermächtigung zur lustvollen Selbstempfindung benutzt als auch diese Frage in die Empfindungswelt der Betrachter und Betrachterinnen ihrer Werke spiegelt und zur Reflexion aufruft.

Ihre Werke arbeiten gezielt am Narbengewebe eines über Jahrhunderte währenden Kampfes um sexuelle wie soziale Selbstbehauptung, der auch in unserer Gegenwart nicht nur in der Kunst, sondern auch der Gesellschaft unausgefochten scheint. Ginevras Bilder sind somit ewig und aktuell zugleich. Ewig, weil sie mit ihrer Malerei und Zeichnung die Geschichte dieser Kunstform in höchster Könnerinnenschaft erweitert hat, und aktuell in der unausweichlichen Forderung nach Aufhebung der Trennung von Kopf und Körper, Geist und Lust.
Ulrike Pennewitz
Berlin im November 2021